Impressum

     

e-mail

Kontakt

Unser Ort

Freizeit

Aktivitäten

Fotogalerie

Sonstiges

Suche

 

Ihr aktueller Aufenthaltsort:  Aktuelles - >Ein Tal der Erinnerungen<



Nauholz, 24. Dezember 1967:

"Awer dö Chresdach well ech doch nomo i dö Chresnacht"
Glücklicher und zufriedener als manche wohlhabende Leute

90jährige "Hirde Drees" aus Nauholz feiert zum erstenmal Weihnachten nicht in der Heimat




Deuz 1967: In ihre alte Heimat in Nauholz werden die Gedanken der 90jährigen Theresia Wagener zurückgehen, wenn sie heute am Heiligen Abend die Lichter ihres Bäumchens anzündet.




Nauholz 1920: Die Heimat von Theresia Wagener.
                                 Bild: Foto-Loos (Weidenau)

Nauholz. (WP 24.12.1967) Im WP-Archiv hat die Redaktion von brauersdorfer.de zurück geblättert. Menschen aus dem Obernau- und Nauholztal erzählen ihre Weihnachtsgeschichte aus der Heimat. Wir beginnen mit der damals 90jährigen Theresia Wagener aus Nauholz - Hausname "Hirde-Drees" - , die im "Krämersch' Haus" bei ihrer Tochter Regina Klöckner bis 1967 gelebt hat. Sie mussten für den Talsperrenbau ihr Haus verlassen und nach Deuz umsiedeln. Weihnachten feierten sie zum ersten Mal nicht in ihrer geliebten Heimat Nauholz.

Ein Dankeschön an dieser Stelle an die Nauholzer Familien Höcker und Bruno Schmidt ("Däjeses"), sowie Foto-Loos, die uns für die Weihnachtsgeschichte die entsprechenden Bilder zur Verfügung gestellt haben.



"Ech sinn d'r älste Wasserflüchtling us döm Orweno-Talsperrengebiet", sagt die 90jährige von sich selbst. Witwe Theresia Wagener aus Nauholz, die Seniorin unter den Dorfbewohnern, die um der Zukunft des Siegerlandes willen Haus und Hof räumen mußten und mit staatlicher Hilfe an anderer Stelle eine neue Wohnung bezogen haben, feiert zum ersten Mal in ihrem Leben das Weihnachtsfest nicht in ihrem alten Haus, das längst dem Erdboden gleichgemacht ist.




Nauholz 1967: Das Haus von Regina Klöckner - Tochter von Theresia Wagener. Hier hat "Hirde Drees" gelebt.

"Hirde Drees"- Hirde war der Hausname dieser Familie Wagener in Nauholz - lebt jetzt im Haushalt ihrer Tochter, der ebenfalls verwitweten Regina Klöckner. Über das Heimweh nach Nauholz hilft am besten Beschäftigung hinweg. Sonst käme sich "Hirde Drees" auch überflüssig vor.

"Äch sinn äwe död Arwe gewohnt", sagt sie. Wenn sie zurückdenkt an das, was ihr in ihrem langen Leben wiederfahren ist, dann sind es viele schmerzliche, leidvolle, aber auch schöne Erlebnisse. Theresia Wagener hatte genug Zeit, um das Leben in all seinen Fährnissen zu erleben und zu meistern. 1929, vor fast 40 Jahren, starb schon ihr Mann und ließ sie mit sieben unmündigen Kindern zurück.

Da war die gesamte Landwirtschaft mit vier Kühen zu bewältigen. Sommertags stand "Hirde Drees" schon um 4 Uhr früh in der Wiese und mähte das Gras.


"Wir waren damals glücklicher und zufriedener als manche wohlhabende Leute"

Im Frühjahr fuhr sie die selbstgemachten Schanzen und Haubergsholz mit dem Kuhgespann von Nauholz nach Weidenau zur Bäckerei Leist und zum Cafe Otterbach. "Och Wabbelersch Frieder i Netphe gräj ömmer va mir dö Schanze", erinnert sich die rüstige Neunzigerin. Und dann erzählt sie von den alten Häusern in Nauholz, von den zwei "Backesern" im Unter- und Oberdorf. Ihre Augen leuchten auf, wenn sie von Weihnachten spricht. Damals hatten die Leute nicht das Geld, um ihren Kindern solche  "Kinkerlitzcher", wie sie sagte, zu kaufen wie heutzutage. Sicher bekamen die Mädchen auch schon mal eine Puppe, aber sonst lagen praktische Geschenke unter dem Weihnachtsbaum - selbstgestrickte Strümpfe, Pullover, Jacken und "Liffcher", natürlich aus selbstgesponnener Schafswolle, oder derbes Schuhwerk.


Auf den Weihnachtsteller kamen Nüsse aus den Nauholzer Haubergen, im Backes gedörrte "Hotzeln" und selbstgebackene Plätzchen. Und die alte Frau sagt mit einem feuchten Schimmer in den Augen, sie seien damals bestimmt glücklicher und zufriedener gewesen als manche wohlhabende Leute.

Katholische Nauholzer gingen zur Christmette nach Netphen

Am Weihnachtsmorgen in aller Frühe gingen die katholischen Dorfbewohner von Nauholz gemeinsam zur Christmette nach Netphen. Oft lag hoher Schnee. Ein Mann ging dann voran, und die anderen hinterher in derselben Spur. Manchmal waren Schneewehen von über einem Meter Höhe zu überwinden.

"Do hadde m'r noch lange gestregde Hosse (Strümpfe) ah", erinnert sich Theresia Wagener, "ned so dönne Denger wie heutzodach d' Wiweslüh". Und wenn es nicht mondhell war, nahm man auch noch Lampen mit Talglichtern mit auf den Weg.

Und aus jenen Jahren weiß "Hirde Drees" noch eine lustige Begebenheit zu erzählen, die sich auch kurz vor Weihnachten ereignet hatte. Damals gab es noch keine Omnibusverbindung nach dem rund 6 km entfernten Obernetphen - also war man eine Stunde unterwegs.


Nauholz im Winter 1928. Die Hänge waren für die Kinder ideal für eine zünftige Schlittenfahrt.


An einem Sonntagmorgen stand die damals 73jährige "Hirde Drees" und ihre schon über 65jährige Nachbarin "död Hännerichs Drees" bei zwei jungen Männern auf den Sozius der Motorräder, um nach Netphen in die Kirche zu fahren. Die heute 90jährige fuhr auf dem ersten Motorrad mit, "Hännerichs Drees" gleich hinterher auf dem Zweiten. Auf der schneeglatten Straße kamen die Motorräder oft ins schlingern. Als sie in Netphen vor der Kirche hielten, fragte "Hirde Drees" den zweiten Fahrer: "Wo häsde da död Hännerichs Drees"?.

Ensetzt drehte sich der junge Mann nach dem leeren Sitz hinter sich um und sagte verstört: "Da es äd m'r onnerwechs ronnergefolln". Er machte sofort kehrt, und zwischen Brauersdorf und Netphen kam ihm seine Soziusfahrerin entgegen. Sie war tatsächlich von dem schlingernden Fahrzeug heruntergerutscht, glücklicherweise aber in den mit Schnee vollgewehten Straßengraben gefallen, hatte ihr Gesangbuch im Schnee gesucht und dann zu Fuß den Weg zur Kirche fortgesetzt.

In Nauholz kamen, wie in vielen Siegerländer Dörfern, wintertags die Nachbarn oft zur sogenannten "Lechtstonn" zusammen. Da wurde bei einer Tasse Kaffee gestrickt und erzählt aus vergangener Zeit und von der Zukunft. Daran kann sich die "Hirde Drees" noch gut erinnern. Aber daß sie mit ihren 90 Jahren auf ihre alten Tage noch das Heimatdorf verlassen mußte, das will der Greisin nicht in den Kopf. Was sie in Deuz vor allem vermißt, das ist die vertraute dörfliche Nachbarschaft und die vielen kleinen Gelegenheiten der gegenseitigen Hilfe.


Auch in Deuz denkt Theresia Wagener noch oft an Nauholzer Zeiten:

 "Awer dö Chresdach well ech doch nomo no Netphe i dö Chresnacht", sagt die 90jährige mit Bestimmtheit.


Weihnachten 1940: Wilhelm Höcker auf Fronturlaub im Unterdorf von Nauholz. Im Bild
rechts das Haus von Bruno Schmidt ("Däjeses").


Nach Weihnachten war der "Mäggeses-Zoch" (vorm Haus Hoffmann) unterwegs. Der Brauch ist heute als "Wurstekommission" bekannt.




Zurück zum Inhaltsverzeichnis