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Die Geschichte der Obernautalsperre

Jahrhunderte lange Abgeschiedenheit geht zu Ende 365 Menschen mußten umsiedeln, 71 Anwesen wurden abgerissen, darunter 4 Gaststätten, 2 Kapellen und 2 Schulen.

Facharbeit (2001) von Jennifer Wagener (18), Gymnasium Netphen


Diskussion um Talsperrenstandort – 1959

Die Obernautalsperre ist die jüngste Trinkwassergewinnungsanlage des Siegerlandes. Vor 30 Jahren wurde ihre offizielle Einweihung gefeiert, nachdem fünf harte Jahre der Arbeit vergangen waren. Die Erbauung einer zweiten Talsperre, neben der Breitenbachtalsperre, stand schon 1959 für die Planer fest. Wie in der Siegener Zeitung sowie in der Westfalenpost berichtet wurde, war dieser Entschluss nach mehrfachen Überlegungen als die effektivste Lösung angesehen worden. Baurat Wilhelm, der schon Jahre zuvor (1953-1956) mit dem Bau der Breitenbachtalsperre beauftragt wurde, wägte die Möglichkeiten ab. Die Dringlichkeit des Handelns war offensichtlich, denn der Wasserbedarf im Siegerland stieg; die Wassernot hatte schon längst Einzug genommen.


Eine Aufstockung der Breitenbachtalsperre kam für ihn nicht in Frage, da erst 1964 mit dem Bau hätte begonnen werden können und da deren Lage ungünstig für ein flächendeckendes Reservoir gewesen wäre (SZ 16.09.1959). Dem Netpherland kam schon in früheren Zeiten besondere Bedeutung für die Wasserversorgung des Siegerlandes zu. Bereits um 1900 wurden in den oberen Tälern der Siegnebenflüsse Wassergewinnungsanlagen gebaut. Auch im Obernautal wurden Leitungen bis nach Siegen verlegt. Der Obernauer Weiher, erbaut 1896, nebst den noch in Teilen erhaltenen Leitungen, ist noch ein Relikt aus jener Zeit. Da jedoch nicht erst seit dem Trockenjahr 1959 das Siegerland nach Wasser rang, sondern schon lange vor den 30er Jahren, könnte man heute im Nachhinein die Behauptung aufstellen, das die Weiher des Siegerlandes als sogenannte Vorläufer der Talsperren dienten. Denn die Stadt Siegen bezog schon am Anfang des 20. Jahrhunderts sein Wasser aus dem Siegtal. Um den Bauern nicht um sein benötigtes Grundwasser zu bringen und um ihn ruhig zu stimmen, wurden im Kreis verteilt Weiher gestaut. Aber wenn die Bevölkerungszahl im Laufe der Jahre ansteigt und mit ihr der Wasserbedarf, so ist es nicht wunderlich, dass in einem Jahr wie 1959, schnelles Handeln von Nöten ist. Dieses Handeln zeigte sich schon um 1936, als in Brauersdorf Untersuchungen bezüglich des Wasserreservoirs getätigt wurden. Denn dort „an der Stelle, wo sich der Obernau- und der Nauholzbach treffen, war ein Häuschen für Niederschlagsmessungen aufgestellt - wohl auch nicht ganz ohne Hintergedanken....“

Entscheidung für Obernautal – gegen seine Bewohner

So blieb allen Beteiligten letztendlich nur noch die Möglichkeit Brauersdorf als neuen Talsperrenstandort zu benennen. Es war die Wirtschaftlichkeit, die ihn auszeichnete. Das Obernautal hatte eine hohe Niederschlagsrate und günstige geologische Gegebenheiten. Was jedoch ebenfalls ein ausschlaggebender Punkt zu sein schien, war seine dünne Besiedlung und die waldreiche Umgebung. Die umliegenden Berge bildeten ein hervorragend geeignetes Tal, das die benötigte Wassermenge von 14 000 Kubikmetern des Trinkwasserbedarfes fassen sollte. Auch wenn dieser Ausweg für den Wasserverband und die übrigen in die Planung mit einbezogenen Beamten als die beste Lösung erachtet wurde, so gab es viele laute Stimmen, die aus Ungewißheit, Angst und Wut opponierten - die Einwohner der Gemeinden Brauersdorf, Nauholz und besonders die aus Obernau. Denn die Entscheidung im Obernautal eine Talsperre zu erbauen, bedeutete für sie eine grundlegende Veränderung ihres existentiellen Daseins. Es brachen weitgehende Diskussionen über ihre Zukunft aus, die durch eine Art Hilflosigkeit gekennzeichnet waren. Um sich jedoch Gehör zu verschaffen, bildeten 50 Grundbesitzer des Obernautals eine Interessengemeinschaft, die sich in Brauersdorf zu Versammlungen trafen. Auf Grund dieser dort laut gewordenen Beunruhigungen, nahmen „Oberkreisdirektor Dr. Moning als Verbandsvorsteher des Wasserverbandes Siegerland sowie Oberstadtdirektor Seibt (Siegen), Stadtdirektor Nordmeyer (Weidenau) und Amtsdirektor Ermert (Netphen) es zum Anlass, in einer gemeinsamen Verlautbarung die Situation zu klären.“ (WP, Nr.249/ 1959). In dieser „Fünf-Punkte-Verlautbarung der Verwaltungschefs heißt es im einzelnen:

Der Oberkreisdirektor habe die Gemeindevertretungen der betroffenen Dörfer schon vor dem Beschluss über eine dortige Errichtung einer Talsperre informiert. Nach dem Beitritt der Stadt Siegen zur Verbundswirtschaft wären die Verhandlungen über diese gelaufen. Eine frühzeitige Befliegung des Gebietes wäre durchzuführen, um eine genaue Kartierung der betroffenen Grundbesitztümer vorzunehmen. Denn die Planung müsse so schnell wie möglich voran kommen. Nach dem Vorentwurf des Wasserwirtschaftsamtes Hagen [würden] 14 Häuser und die beiden Schulen der Gemeinde Brauersdorf abgebrochen werden Obernau und Nauholz würden keine Gebäude verlieren. Die Befliegung sei aber auch auf Obernau ausgeweitet worden, da an dem Vorentwurf die Frage nach einer größeren Talsperre angeschlossen wurde. Würde diese Idee realisiert, so wäre Obernau aufs gravierendste betroffen. Da jedoch noch keine definitiven Entschlüsse vorlägen, könne keine konkrete Aussage darüber gemacht werden.“
Der Verlautbarung wurde hinzugefügt, dass mit den Grundeigentümern Kontakt aufgenommen werden würde, sobald das Kartenmaterial über die Lage Aufschluss geben würde und es würde „mit offenen Karten gespielt“ (WP, Nr. 249). Doch es wurden viele Versprechungen gemacht, die im Nachhinein revidiert wurden. Nauholz, das keine Häuser verlieren sollte, wurde vollkommen ausgesiedelt, Obernau sollte am Rand seiner alten Gemarkung zu Neu-Obernau umgesiedelt werden, was nicht passierte und in Brauersdorf mussten mehr als 30 Gebäude abgerissen werden, obwohl zuvor nur die Rede von 16 in Mitleidenschaft zu ziehenden Gebäuden war.
So wurde im Jahre 1959 der Wasserverband Siegerland, ein Zusammenschluss Siegerländer Städte und Gemeinden und des Kreises Siegen, damit beauftragt, die Obernau Talsperre zu planen und zu bauen. Die Talsperre hat nach dem 1964 fertiggestellten Entwurf einen Stauinhalt von 15.000.000 m³ bei einer Wassertiefe von rund 45 m an ihrer tiefsten Stelle. Überstaut wurde circa eine Fläche von 90 ha Gelände, wobei die Ortschaften Obernau, Nauholz und zum Teil auch Brauersdorf geräumt werden mussten. Da es nicht erlaubt war unmittelbar an einer Trinkwassertalsperre zu wohnen war die Umsiedlung von Nöten – zum Beispiel aus hygienischen Gründen.
Das Talsperrenbauwerk sollte seinen Damm an der engsten Stelle unterhalb der Vereinigung der beiden überstauten Täler des Obernau- und Nauholzbaches aus circa 1 Millionen m³ Steinen geschüttet bekommen, die aus dem Obernauer Steinbruch gewonnen wurden.




Emotionale Reaktionen der Brauersdorfer

Der größte und gravierendste Einschnitt in der Geschichte Brauersdorfs ereignete sich mit der im Jahre 1959 aufgekommenen Wassernot im Siegerland. Denn von dort an lösten sich fortwährende Diskussionen über eine dauerhafte Wasserversorgung. Als die 217 Seelengemeinde von diesem einschneiden Entschluss hörte, machte sich eine „bedrückende Ungewißheit“ breit, wie es eine Brauersdorfer Bäuerin später im Jahre 1960 der Siegener Zeitung verlauten ließ. Eine Zeitzeugin (siehe Interview im Anhang), die die Umsiedlung durchlaufen musste, berichtet wie folgt: „Erfahren haben wir es [den bevorstehenden Talsperrenbau] durch den Wasserverband Siegerland. Eines Tages stand ein Mitarbeiter bei uns vor der Tür und teilte uns von den Planungen mit.“ Weiter erzählt sie, „Wir waren noch nicht einmal mit dem Bau unseres Hauses fertig, das WC, die Badewanne und auch andere Bereiche waren doch noch gar nicht im Haus drin. Und da hört man plötzlich, man müsse sein neu geschaffenes Heim bald wieder räumen.“ Im Laufe der nächsten Jahre waren die Einwohner zwischen den Planungen des Wasserverbandes hin und her gerissen, denn eine genaue Aussage über die Größe der Talsperre und somit über das Schicksal der Einwohner und ihrer Besitztümer, konnte nicht gemacht werden. „Neben dem kleineren Projekt, das nur Brauersdorf in Mitleidenschaft zieht, ist auch die Möglichkeit einer größeren Talsperre unter Einschluß von Obernau in Erwägung gezogen worden“, hieß es am 22. Oktober 1960 in der SZ.

Noch fast ein Jahr nach der Verlautmachung eines Talsperrenbaus musste um seinen Besitz gebangt, beziehungsweise gehofft werden. Doch die Reaktionen der Betroffenen spalteten sich wie „der Mantel des heiligen Martins“, wie es 1960 die SZ zu titulierte. „[Die Machenschaften von denen] da oben, werden wir uns wohl gefallen lassen müssen“ sagte ihm [dem Reporter] eine Betroffene. Man stand dem Projekt – Obernautalsperre - also nicht nur emotional sondern, auch rational gegenüber, wobei niemand vollstes Verständnis zeigte. Die Obernauer Grundstücksbesitzer, fünf selbstständige Bauern und mehrere nebenberufliche Landwirte, die Wald, Felder und Vieh ihr Eigen nennen durften, reagierten trotzig über die Umstände, da sie sich unzureichend informiert fühlten. Andere hingegen bildeten eine Interessengemeinschaft und versuchten somit das best Mögliche aus ihrer kaum lenkbaren Situation zu machen. Sogar die alteingesessenen Bewohner teilten nicht ihre Meinung: „Ich bin zu alt, um neu anzufangen und gesundheitlich nicht in der Lage, meinen alten Beruf als Former wieder aufzunehmen“, sagte der Haubergsvorsteher Krämer, der sich seit Kriegsende nur mit seinem Acker und seinem Wald beschäftigt habe. Und starrköpfig, wie es die Siegerländer nun einmal sind, fügte er hinzu: „Und für 30 Mark die Rute verkaufe ich mein Land nicht. Lieber lasse ich mich enteignen. Dann kann wenigstens niemand sagen, ich hätte meinen Hof verkauft.“ (SZ, 1960) Bauer Schäfer, der zweitgrößte Grundbesitzer, hingegen begegnete den Tatsachen mit Verständnis. Er müsse mit der Zeit gehen. Wenn der Talsperrenbau seinem Nächsten, der in der Not sei, diene, dann wäre er gerne bereit ja zu sagen. Im Gespräch um die Argumentation gegen den Bau stehen neben den gerade genannten, auch ganz andere menschliche Bedürfnisse. Solche, die dem Brauersdorfer an ihr Herz gingen. In jedem Frühjahr könne auf den Tag genau der Frühjahrsbeginn bestimmt werden, denn wenn die Sonne über die Schornsteine scheine, sei es soweit. Doch werde sich dieses Schauspiel nun durch den Bau des Dammes um einige Tage verzögern und der Frühling nähme erst später, als gewöhnlich Einzug in Brauersdorf. Aber ein Großteil der Bewohner hoffte wenigstens auf eine gerechte Abfindung, die ihnen ihr Land, ihre Höfe oder ihr Eigenheim ersetzen würden. Eine Aussiedlung stand nun gegen Ende der 60ger Jahre fest. Man hatte sich auch schon mit dem Aufbau einer neuen Existenz abgefunden, die sich jedoch nicht zu sehr von der vorherigen abweichen sollte. „Wir hängen an unserem Beruf und wir möchten dabei bleiben. Die Talsperre läßt uns unser Haus, aber die Felder und Wiesen werden meist verloren gehen“, bemängelt eine Frau am 22. Oktober 1960 in der SZ. Das Geld spielte also keine so entscheidende Rolle um die Frage der Lebensverhältnisse. Die räumliche Veränderung ebenfalls nicht, sondern die eigentlichen Lebensinhalte, die Sicherung ihrer Aufgaben, die schon über Jahrzehnte hinweg ihr Leben begleiteten und bestimmten, sollte bewahrt bleiben. Die Angst der völligen Kehrtwende war somit das eigentliche Problem, das die Menschen beschäftigte und das sich seit dem Aufkommen der Talsperrenfrage nicht hatte klären lassen können.


Brauersdorf – 30 Jahre später

Die Umsiedlung der "Wasserflüchtlinge" erfolgte hauptsächlich innerhalb von Brauersdorf, Obernetphen und Deuz. Der alte Brauersdorfer Ortskern, beutelte sich vor dem Talsperrenbau unterhalb des heutigen Staudammes. Durch dessen Bau streckte es sich nord - östlich auf „den Garten“ (daher der heutige Name „Auf dem Garten“) und südlich in die Trubach.
Diese zwei geographisch von einander getrennten Ortschaftsteile sind genauer betrachtet das vollkommene Gegenteil von dem vor 35 Jahren langsam aussterbenden Ortes. Denn wie man es den Zeitungen aus dieser Zeit entnehmen kann, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl der Obernautal – Bewohner enorm. Oberflächlich betrachtet ist dies nicht mehr so. Doch die Identitätsfindung zwischen dem Alten und dem Neuen Brauersdorf wurde durch das Engagement einiger Vertriebener vorangetrieben.

Zum einen wurde eine Haubergsgenossenschaft gegründet und zum anderen ergriffen im Jahre 1955 Heinrich Kölsch, Josef Gessner, Wilhelm Schirm und Fritz Stahr die Initiative und versammelten die Dörfergemeinschaft Brauersdorf – Obernau – Nauholz. Bei dieser Versammlung wurde der Schützenverein Brauersdorf gegründet. Dieser Wunsch war schon zuvor von mehreren Bürgern der drei Ortschaften geäußert worden, da sie die Erinnerung und das dagewesene Gemeinschaftsgefühl des Obernautals bewahren wollten. Man einigte sich auf den Namen „Sandhelle“, da an diesem Berg alle drei Ortschaften angrenzten.
Im Anschluss folgte am Anfang der 80er Jahre der Glockenturmverein, der wiederum die Erinnerungen wecken sollte. Der Brauersdorfer Glockenturm wurde linkerhand des „Landgasthofes Heinrichhöhe“ erbaut. In ihm leuten tagtäglich die alten Glocken der versunkenen Gemeinden. Darunter ebenfalls eine Kriegsglocke, die von einem Bürger Brauersdorfs aus einer Granate gefertigt wurde. Denn die Brauersdorfer verloren während den beiden Weltkriegen mehrmals ihre Glocken, da sie in Siegen zum Fliegeralarm benötigt wurden. Zu ihrer Ehren wird jedes Jahr zum ersten Mai das „Glockturmfest“ im Schützenhaus Brauersdorf gefeiert. Ein aktuelles Beispiel für die noch immer bestehende Obernautal – Verbundenheit ist der Kapellenverein. Er wurde vor einem kappen halben Jahr von Martin Werthenbach ins Leben gerufen. Auch sie wollen an die Traditionen anknüpfen. Die Kapelle soll der Symbolik nach, eine Dreiecksform annehmen, die wieder die drei Ortschaften darstellen sollen.




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